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Bukowski

Er war ein Säufer, ein Schläger, ein verkommenes Subjekt. Meine Freundin bekommt regelmäßig spitze Zähne, wenn ich anfange, von seinen Gedichten zu reden.

"Der Typ schreibt doch nur ungereimtes Zeug über das Saufen und seine One-Night-Stands mit Huren" ...

... "und über Pferde, Autos, klassische Musik, Boxer, die Strapse seiner Lehrerin, Katzen, Dichter, Verleger, Schlachthöfe, die Arbeit bei der Post, hysterische und wortkarge Verehrerinnen, Politik, seinen Vater, seine Mutter, seine Frau Linda, schräge Nachbarn, humorlose Vermieter, schäbige Stundenhotels, Krankenhäuser, Friedhöfe. europäische Städte und einige andere uninteressante Dinge" - setze ich dagegen, bevor sie wieder unterbricht

"Schön und gut. Aber wo ist der Tiefgang?"

Ruhig Blut! Keine Schwäche zeigen! Milde lächeln und einfach Bukowski zitieren:

Du kannst dieses Gedicht ruhig deiner Freundin vorlesen
Es wird ihr nicht gefallen
Sie liest vielleicht gerade "Zärtlich ruft die Nacht"

Bukowski schreibt so schonungslos und unaufgeregt. Er müht sich nicht damit ab, die Wahrheit von allen Seiten zu beleuchten. Er richtet den Scheinwerfer kurz und hart auf irgendein Merkmal, das ihm gerade auffällt und weiter geht'die Fahrt durch die tägliche Hölle.

Er verkleistert seine Gedichte nicht mit ausgewogenen Urteilen. Leser wie ich interessieren ihn nicht beim Schreiben. Er hat genug mit sich selber zu tun. Wie ich auch.

Eine Verwandschaft erkannte ich erst, als Bukowskis Stimme in mir zu klingen begann. Nachdem ich hunderte Gedichte und einige Videos kannte. Da blitzten vergessene Bilder auf und verwandelten sich in Erinnerungen: schweigsame Platzhirsche an dämmrigen Thresen, Kneipenschlägereien, feuchte Liebesnächten mit gestrandeten Frauen, die Hatz der Perde und Menschen auf den Rennbahnen von Karlshorst und Hoppegarten, Nächte in Hotels und Jazzkneipen, unbezogene Betten, schmutzige Küchen, verwahrloste...

Schöne Erinnerungen an die schäbige Seiten der Welt. Von den meisten Menschen gern überzogen komisch oder tragisch dargestellt. Wer ist schon stolz darauf, zur Welt der kleinen Leute zu gehören?

Mich fasziniert der gleichmütige Erzählton dieses doch eigentlich aufbrausenden Menschens, dieses jähzornigen Schriftstellers. Mußte er mit sich ringen? Kokettierte er schamlos mit seiner Scham oder waren ihm solche Gefühle völlig fremd?

Woher nahm der pockennarbige Mann mit den löchrigen Unterhosen nur diese Selbstsicherheit ?

 

 

 

 

  
 
 
   
   
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